Wenn Feldlerchen wählen könnten
Mit dem Tempelhofer Feld in den Wahlkampf zu ziehen, ist schon eine knifflige Angelegenheit.Derzeit schauen mindestens 740.000 Berliner Wahlberechtigte, die 2014 im erfolgreichen Volksentscheid für ein offenes, freies T-Feld gestimmt haben, sehr genau was die einzelnen Parteien in ihre aktuellen Wahlprogramme schreiben.
Foto: © Roland Lleshi
Linke und Grüne in Berlin haben sich für den Erhalt des Feldes in seiner jetzigen Form und gegen Bebauung ausgesprochen, die SPD kann sich eine Randbebauung vorstellen. Die FDP kündigt für 2022 eine Volksbefragung zur Feldbebauung an. Die CDU ist für die Bebauung des Feldes mit bis zu 38.000 Wohnungen und lässt Studierende auf Grundlage des 2014 krachend abgelehnten ‘masterplan’ dazu unterschiedliche Entwürfe erarbeiten.
Eine andere nicht parteigebundene Interessensgruppe könnte sich eher eine kleinere Hochhaussiedlung mitten im Grunewald als auf dem Tempelhofer Feld vorstellen. Das wirft die Frage auf, ob zukünftig Frei-, Grün- oder Waldflächen überhaupt bebaut werden sollten und was naturschonende Stadtentwicklung im Hinblick auf Klimanotlage, Erderwärmung, Artenschutz und menschliche Gesundheit leisten muss.
Die Bezeichnung des Feldes als Brache wurde aus dem Planerdeutsch entlehnt, ist inzwischen völlig unglaubhaft und negiert den wertvollen Naturhaushalt und die Wichtigkeit des Feldes für das Berliner Stadtklima. Seit Ausbruch der Pandemie lässt sich nirgends in dieser Stadt besser Abstand halten und durchatmen als auf dem Feld. In Spitzenzeiten waren im letzten Jahr 90.000 Menschen aus der gesamten Stadt täglich vor Ort.
Auch die Argumente des Entwicklungs-Stillstandes auf dem Feld greifen schon lange nicht mehr. Zugegebenermassen geht es langsam voran, was den trägen und personell unterbesetzten Verwaltungsabläufen geschuldet ist. Aktive Bürger wirken dann gerne schon einmal als Beschleuniger.
Bei der am 25. März stattgefundenen ‘Beradelung’ des Feldes einiger Feldkoordinierenden, engagierter Berliner, sowie Vertretern der landeseigenen Grün Berlin GmbH und Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, wurden die kleinen positiven Fortschritte besichtigt. Es gibt neue Sandflächen für Kinder, ein Baumlehrpfad wird eingerichtet, zusätzliche Bäume sollen gepflanzt werden, Basketball-Körbe wurden aufgestellt und Blühstreifen sollen angelegt werden.
Toiletten wurden versetzt, zusätzliche installiert und ans städtische Wassernetz angeschlossen. In Folge wird in Kürze der Hang hinter den WCs -auf der Neuköllner Seite- abgesperrt und neu besät werden, und mit viel Glück bekommt das ‘Haus 104 der Bürgerbeteiligung’ tatsächlich zwei Toiletten eingebaut.
Die vom unfachmännischen Kahlschlag ramponierte Böschung an der Oderstrasse wird in Teilen neu bepflanzt. Für das durch Übernutzung stellenweise lädierte ‘BMX-Wäldchen’ wird nach Lösungen gesucht und in Folge vermutlich eine neue, asphaltierte BMX-Bahn angelegt. Unter anderem ist auf der Tempelhofer Seite ein Hochbeet-Projekt in Vorbereitung zur inklusiven Nutzung für Menschen mit und ohne handicap.
Die schonende Entwicklung und der Schutz des Feldes sind die Politik der kleinen Schritte und monetären Möglichkeiten, die Planungen dazu kleinteilig, zeitaufwendig und als Wahlkampfthema an sich fragwürdig.
Könnten die Feldlerchen, die dieses Jahr früher und anscheinend zahlreicher auf dem Tempelhofer Feld eingeflogen sind als bisher, wählen, wäre das Ergebnis jetzt schon klar.
Beate Storni
31. März 2021
Infos:
https://tempelhofer-feld.berlin.de/
https://www.thf100.de/
https://haus104.de/
https://thfgesetz.de/